Automobilzulieferer Dräxlmaier-Chef Otto: „Eigenentwicklungen ohne Auftragsbezug nach vorne treiben“

Autor / Redakteur: Claus-Peter Köth / Svenja Gelowicz

Seit Mitte Mai entsteht im frisch erbauten Werk von Dräxlmaier in Sachsenheim bei Stuttgart das 800-Volt-Batteriesystem für den Porsche Taycan. Eine neue Zeitrechnung für den Automobilzulieferer: Dräxlmaier-Chef Jürgen Otto im Interview über Innovationen und neue Geschäftsfelder.

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Das erste Batteriewerk des niederbayerischen Automobilzulieferers Dräxlmaier steht in Sachsenheim bei Stuttgart.
Das erste Batteriewerk des niederbayerischen Automobilzulieferers Dräxlmaier steht in Sachsenheim bei Stuttgart.
(Bild: Dräxlmeier)

Am 17. Mai 2019 begann für den niederbayerischen Automobilzulieferer Dräxlmaier in Sachsenheim bei Stuttgart eine neue Zeitrechnung – mit dem ersten Batteriewerk der Gruppe und mit der Serienfertigung des leistungsstarken 800-Volt-Gesamtbatteriesystems für den Elektro-Sportwagen Porsche Taycan. Auf einer Fläche von mehr als 10.000 Quadratmetern hat das Unternehmen eine hochautomatisierte Produktion aufgebaut.

Darin werden die Batteriemodule automatisiert gesetzt, weitere Komponenten montiert und schließlich Tests durchgeführt. Neben der Produktion ist am Standort auch eine Entwicklungsabteilung angesiedelt: Elektronik und Mechanik gehen dabei Hand in Hand. Aussagen zum Investitionsvolumen waren Dräxlmaier nicht zu entlocken.

Dräxlmaier-CEO Jürgen Otto im Interview

Die Dräxlmaier Group hat sich schon vor vielen Jahren – früher als andere Zulieferer – auf die E-Mobilität ausgerichtet. Inwieweit sich das jetzt auszahlt, darüber sprach »Automobil Industrie« mit Jürgen Otto, der seit dem 1. Januar 2019 neuer CEO der Gruppe ist.

Jürgen Otto, CEO der Dräxlmaier Group.
Jürgen Otto, CEO der Dräxlmaier Group.
(Bild: Dräxlmaier Group)

Herr Otto, profitiert Dräxlmaier jetzt im Hochlauf der E-Mobilität überproportional davon, dass sich das Unternehmen schon vor vielen Jahren auf die Elektromobilität ausgerichtet hat?

Die Dräxlmaier Group und speziell Fritz Dräxlmaier haben schon vor über zehn Jahren die Entscheidung getroffen, das Unternehmen für die E-Mobilität aufzustellen. Mit einer kleinen Organisationseinheit, die wie ein Start-up agiert und bereits wichtige Aufträge für sich gewinnen konnte, fing alles an. Dort wurden die ersten Konzeptentwicklungen für den Audi E-Tron, den Streetscooter sowie Starter-Batterien für den Bugatti Veyron realisiert. Die Kompetenzen – Kontaktieren, Verteilen, Speichern und Absichern – zählen zum Kernproduktportfolio von Dräxlmaier. Zusätzlich wurden neue Kompetenzen aufgebaut, die es uns heute ermöglichen, das erste 800-Volt-Batteriesystem in Serie herzustellen. Auch im Interieur wurden Aufträge für E-Fahrzeuge und Marken akquiriert.

Bei kapitalmarktorientierten Unternehmen vermisst man häufig langfristige Entscheidungen. Wie verschaffen Sie sich als familiengeführtes Unternehmen hier immer wieder Freiräume für Investitionen?

Ein Kernwert von Dräxlmaier ist Innovation. Dabei geht es nicht nur um den Anspruch, bei Auftragsentwicklungen für unsere Kunden innovative Lösungen zu präsentieren, sondern auch darum, Eigenentwicklungen ohne Auftragsbezug nach vorne zu treiben. Mit mehr als einhundert Patenten pro Jahr, die meisten aus den Feldern E-Mobilität, Konnektivität und autonomes Fahren, möchten wir diesen Ansatz erfolgreich umsetzen. Nachhaltig kann das nur sein, wenn es auch zu neuen Aufträgen führt. Der Auftrag für das Batteriesystem des Porsche Taycan bestätigt dies, ähnlich wie andere Innovationen aus unserem Hause – etwa die Mittelkonsole mit Naturfaser-Compound, das kundenindividuelle Bordnetz in Losgröße eins sowie die unsichtbare Airbagnaht im Cockpit.

Für den Porsche Taycan liefern Sie das 800-Volt-Batteriesystem. Mit welchen Kompetenzen konnten Sie überzeugen?

Zum einen bringen wir entscheidende Kompetenzen im Gesamtsystem, der Projektierung und der Lieferung ein. Etwa unser Elektronik-Know-how, mit dem wir die Batteriesteuerung entwickeln und programmieren. Auch unser Know-how bei Simulation, Testing sowie Laserschweißen im 800-Volt-Bereich sowie die hochautomatisierte Industrialisierung waren Gründe für die Entscheidung des Kunden.

Eine durchgängige Nachhaltigkeitsbetrachtung wird künftig immer wichtiger werden – für Hersteller und für Endkunden.

Welches Potenzial sehen Sie mittelfristig im Geschäftsfeld „Speichersysteme“?

Die E-Mobilität ist das große Thema bei der Transformation der Automobilindustrie. Sie wird weit schneller und mit mehr Macht eine Änderung herbeiführen, als dies beim autonomen Fahren der Fall sein wird. Wir sehen heute, dass die OEMs Batteriesysteme meist selbst entwickeln und fertigen. Mittelfristig gehen wir aber davon aus, dass es zur Vergabe dieser Umfänge an spezialisierte Zulieferer kommen wird. Wir haben die Erfahrung, wie man Speichersysteme kundenspezifisch entwickelt, vom alltagstauglichen Sportwagen bis zum Lkw. Hochautomatisierte Serienfertigung mit den Ansprüchen der Automobilindustrie ist für uns eine weitere Differenzierung, die es auf dem Zuliefermarkt nicht oft gibt.

Mit welchen anderen E-Komponenten und Modulen wollen Sie ebenfalls zu den Profiteuren der Transformation gehören?

Wir bieten ein komplettes E-Mobilitätssystem an: von der Ladedose über den Hochvolt-Kabelsatz, die entsprechenden Kontaktierungen, die Schaltbox und Steuerelektronik, das Batteriesystem inklusive Thermomanagement, die Crashabsicherung, das Projektmanagement bis hin zur Serienproduktion und Just-in-sequence-Logistik. Ein Bereich, an den man nicht sofort bei E-Mobilität denkt, ist das Interieur. Mit den Türverkleidungen für den BMW i3 haben wir gezeigt, dass für einen stimmigen Charakter des Fahrzeugs auch nachhaltige Innenraumkonzepte relevant sind. So haben wir nachwachsende Rohstoffe sichtbar verarbeitet und die CO2-Bilanzierung der Naturfaserlieferkette bis zu den Landwirten in Südostasien erstellt. So eine durchgängige Nachhaltigkeitsbetrachtung wird künftig immer wichtiger werden – für Hersteller und für Endkunden.  

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